…etwas Kreatives: Design, Schreiben, Malerei, Tanz? Aber wie will ich damit Geld verdienen, erfolgreich werden? Diese Einwände hören gewiss nicht nur Kinder von Eltern mit internationaler Geschichte, doch bei solchen hat es ein anderes Gewicht. Wir leben seit 40 Jahren in einem „fremden Land“ -was dieser Ausdruck bedeutet, verstehen wirklich nur Migrakids- damit es unsere Kinder mal besser haben. Damit sie gute Schulbildung genießen und das Beste aus sich herausholen können. „Unsere Kinder sollen nicht in Fabriken und Zechen knechten wie ihre Vorfahren, sie sollen Abitur machen und studieren, um mal viel Geld zu verdienen, ohne sich schmutzig zu machen und fremde Toiletten zu putzen. Sie sollen sich Urlaube – idealerweise in die „Heimat“ – und ein schönes Leben finanzieren können“. Das ist die Quintessenz, die sich viele Migraeltern von ihrer Erziehung erhofften, hier spreche ich von der „Gastarbeiter“-Generation. Diszipliniert sein und viel leisten, mehr als die deutschen Kinder; um gesehen zu werden, nicht unterzugehen und schlussendlich auf die Hauptschule „abgeschoben“ zu werden. Vielleicht Lehrerin, Ingenieurin, Anwältin oder Ärztin.
Ein sicherer Job mit hohem Gehalt. Ist das falsch? Das Beste für sein Kind zu wollen? Nein. Es wird aber falsch, wenn es das Kind in seiner Entfaltung und Selbstfindung hemmt. Es wird falsch, wenn ein Kind sich nicht wagt zu träumen, outside the box zu denken. Das ist ein Luxus, den sich Migrakids nicht erlauben können, denn es würde die Eltern enttäuschen. Die Eltern, die sich selbst aufgegeben haben, um ihren Kindern eine sorglose Zukunft zu ermöglichen. Kulturwissenschaften, Gender Studies, Kunst und Musik und andere ähnliche Studiengänge sind keine Option, denn „was wird man dann?“. Es ist nicht greifbar und unverständlich für viele unserer Eltern. Genau diese Einstellung stürzt einige Ingenieur*innen und Lehrer*innen in eine Identitätskrise.
Mit Mitte 20 oder 30 steht man da, hat ein abgeschlossenes Studium, könnte durchstarten im Leben, doch etwas im Innern blockiert. Man kann nicht weitermachen, auch, wenn man gerne möchte. Die Lebensrealität der zweiten und dritten Generation ist eine andere. Die Welt, in der wir leben ist unseren Eltern und Großeltern noch fremder als die, in die sie vor 30, 40 oder 50 Jahren eingewandert sind. Sie haben Schwierigkeiten zu verstehen, dass es uns nicht reicht viel Geld zu verdienen. Wir wollen glücklich und erfüllt sein von unserem Beruf, in dem wir einen Großteil unserer Zeit verbringen. Das Lehramtsstudium zu schmeißen, um in einem schlechtbezahlten Redaktionsjob zu arbeiten stößt auf Unverständnis und kommt einer Todsünde gleich.
Aber haben wir jetzt alle, schlechte Eltern? Nein, ich glaube nicht. Paradoxerweise haben die meisten von uns, gute Eltern, mit guten Absichten. Es dauert seine Zeit, bis man realisiert, dass unsere Eltern die wahre verlorene Generation sind. Mit 18 Jahren nach Deutschland gekommen, um eine bessere Zukunft zu haben. Hier auf Abweisung und Rassismus gestoßen, aber nicht beirren lassen. Einfach weiter machen. Durchziehen. Keine Chance auf Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Einfache Arbeitskräfte, die jeden Job nehmen, den sie kriegen können. Nach 40 Jahren haben sie diese Mentalität so verinnerlicht, dass sie sie unbewusst an uns weitergeben. Sie wollen zwar, dass wir es besser haben, jedoch mit festgefahrener Vorstellung über jene Zukunft. Das hier ist keine Frage der Schuld. Es ist eine Bestandsaufnahme. Wir müssen es anders machen. Besser?

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